Über dieses Buch
Die Orange ist die lauteste unter den Früchten. Als Signalfarbe leuchtet sie in weite Ferne, setzt ihr Licht als Zeichen von Enthusiasmus, Diesseitigkeit. Als Farbe der holländischen Kicker wie der tanzenden Bagwan-Jünger*innen ist sie notorisch mit ihrem ausgestellten Optimismus.
Der mythische Sänger Orpheus & andere – Orangen? In 3 Kapiteln und 3 Variationen des Orpheus-Mythos stellt Norbert Lange sich wagemutig der Frage nach dem lyrischen Subjekt.
Der Band beginnt mit einer Transkreation von Gedichten des US-amerikanischen Kultautors Jack Spicer, die spotlightartig die Stationen der Orpheus-Geschichte wiedergeben, gefolgt von einer Komödie, die in die Gegenwart führt und ganz und gar nichts Göttliches an sich hat: ein episches Langgedicht, in der Tradition lyrischer Epen von den Suren des Korans und den Terzinen Dantes über die rhythmische Prosa französischer Autoren (Aloysius Bertrand, Victor Segalen). Große Übertreibungen findet man in diesen Texten, die von Orangen und Parasiten erzählen, die man für groteske Spiegelbilder des Sängers Orpheus halten kann, deren Lächerlichkeit aber zunehmend einen höllischen Narzissmus aufdeckt, dem selbst die Zerstörung des Planeten eine willkommene Bühne ist. Das 3. Kapitel greift das danteske Schreckensszenario der Orangen wieder auf und schlägt den Bogen zurück zu den tragischen Orpheusgedichten am Anfang: eine Künstlernovelle in Briefen und mit essayistischen Passagen des 1965 verstorbenen Dichters Jack Spicer an Norbert Lange. Eine Parabel über das Leiden an dem Egoismus und selbstgenügsamen Narzissmus des Dichterstandes.
Norbert Lange führt in diesem epischen Kraftakt seine »Arbeit am Mythos« aus, als Abbrucharbeit direkt am Fundament. Ein erregendes und anregendes Stück Poesie.
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Presse
»Diese kreativen Verwandlungsprozesse hat sich nun der Berliner Dichter und Jack-Spicer-Übersetzer Norbert Lange in seinem neuen Gedichtband „Unter Orangen“ angeeignet und daraus eine überaus vergnügliche Eigenkomposition gezaubert.« Michael Braun, taz
»Er hat einen Kurzauftritt in Alfred Hitchcocks Vertigo, der amerikanische Dichter Jack Spicer, der 1965 im Alter von 40 Jahren starb. Mehr als 50 Jahre später kehrt er aus dem Totenreich zurück, trifft in San Francisco den deutschen Dichter Norbert Lange – und ergreift Besitz von ihm (so wie, angeblich, in Hitchcocks Film die tote Carlotta Valdes von ihrer Urenkelin Madeleine Elster). Das Ergebnis ist ein Schwindel erregender Gedichtband in drei Kapiteln: Im ersten ›transkreiert‹ Lange Spicers tragische Orpheus-Gedichte (mit Referenzen u. a. an Jean Cocteaus Orphée), im zweiten, einem epischen Langgedicht, lässt er wunderliche, verschrobene Orpheus-Personifikationen zu Wort kommen (genannt: ›Orangen«; bei Spicer: ›Zitronen‹), und im dritten erhält er Briefe von Spicer, Briefe über das Leben mit Gedichten und Dichtern, die u. a. angeregt sind von After Lorca, einem Fake-Buch Spicers mit erfundenen Lorca- Gedichten … Unter Orangen ist ein raffinierter Bluff (wie der Bluff in Vertigo), ein gelehrtes, rätselhaftes Buch, eine erkenntnisreiche Poetologie – und nicht zuletzt die Auferstehung eines hierzulande unbekannten Dichters.« Norbert Wehr, Lyrikempfehlungen 2022
Norbert Lange
Norbert Lange, 1978 in Gdynia geboren, Kindheit- und Jugend an Rhein, Mosel und Lahn, lebt als Schriftsteller und Übersetzer in Berlin. Sein Tätigkeitsfeld sind Übersetzungen und Herausgaben von Dossiers zu größtenteils US-amerikanischen und britischen Dichter*innen in der Zeitschrift Schreibheft und in Buchform. Zuletzt: Jerome Rothenberg und Charles Bernstein. Norbert Lange ist als Übersetzer von Charles Bernstein mit dem Preis der Stadt Münster für Internationale Poesie ausgezeichnet worden.