Philosophie der Weltbeziehung Poesie der Weite
Über dieses Buch
Den derzeitigen Weltzustand erleben wir zunehmend als Chaos. Wie die Menschen damit umgehen können, ist eine der zentralen Fragen unserer heutigen Existenz. Sie wird über die Zukunft unseres Planeten entscheiden. Auch die weltumspannende Corona-Pandemie führt uns das in aller Deutlichkeit vor Augen.
Der Dichter und Philosoph Édouard Glissant (1928–2011) ist spätestens nach der Veröffentlichung seines Buchs Zersplitterte Welten (Le Discours antillais) einer der großen Theoretiker der globalisierten Welt. Ein ebenso bahnbrechendes Werk ist seine 2009 erschienene und nun erstmals auf Deutsch vorgelegte Philosophie der Weltbeziehung (Philosophie de la Relation). Hier entfaltet er seine Vorstellungen von der »Einen Welt«, die sich der Gleichheit bewusst ist. Sein Blick gilt der Schönheit der Welt, somit auch der Gefährdung der Natur. Der Bogen, den der Einzelne von seinem Ort zur Welt schlägt, stiftet eine »kosmische Intimität« zunächst in der Sprache – daher die große Bedeutung der Poesie für Glissants Vision. Eine konkrete, sehr anschauliche und poetische Abrundung seines Denkens.
Seit den 1980er Jahren befasst Édouard Glissant sich mit dem Zusammenwachsen der Welt und dem Zusammenprall der Kulturen. Im Prozess der »Kreolisierung« sieht er auch eine Chance für die gleichberechtigte Einbeziehung ehemals kolonialisierter Völker und Erdteile. Kreolisierung – ein von Glissant geprägter Begriff, der die durch große Migrationen und das Menschheitsverbrechen der Sklaverei erfolgte Vermischung der Kulturen beschreibt – ist ein gewichtiges Argument gegen die zum Scheitern verurteilten gegenwärtigen Bestrebungen nach einem »alten« Zustand der Welt, mit einem »alten Europa«, das von sauber getrennten Nationen im ethnischen Reinzustand bewohnt wird.
Presse
»Glissants Buch von 2009, in dem er die Entstehung seines Denkens poetisch nachzeichnet, wurde zu seinem Testament und bleibt ein Appell. Denn es wendet sich gegen die Betonköpfe des identitätspolitischen Regulierungsdiskurses von rechts und links, die sich einbunkern in ihren Festlegungen auf Herkunft, Religion, Farbe oder Geschlechter. Glissant mischt sie auf.« Ruthard Stäblein, Deutschlandfunk
»Kein Sachbuch, eher ein ganzer Weltentwurf des auf Martinique geborenen, immer noch viel zu unbekannten Poeten und Philosophen des postkolonialen Denkens.« Niklas Maak, FAS
»Seine Philosophie der Weltbeziehung ist politische Analyse und poetischer Gesang in einem. Sie schwebt mühelos über allen schroffen Felsen und harschen Klüften.« Thekla Dannenberg, Perlentaucher
»Der Dichter und Philosoph Édouard Glissant gilt als einer der bedeutendsten postkolonialen Theoretiker seiner Zeit. Nun sind seine späten Essays unter dem Titel »Philosophie der Weltbeziehung« auf Deutsch erschienen – sie sind ein Plädoyer für das Denken des Vielfältigen.« Moses März, nd Die Woche
Édouard Glissant
Édouard Glissant wurde 1928 auf der karibischen Insel Martinique geboren. Mit einem Stipendium der französischen Regierung kam er 1946 nach Paris, um dort Geschichte, Literatur, Ethnologie und Philosophie zu studieren. Bald schon schloss er sich künstlerisch-literarischen Zirkeln an und engagierte sich in antikolonialistischen Bewegungen. 1958 wurde er für seinen Roman La Lézarde mit dem renommierten Prix Renaudot ausgezeichnet. Mit seinen zahlreichen Romanen, Essay-und Lyrikbänden avancierte Glissant zum sprachgewaltigen Chronisten der antillischen Geschichte und zum scharfsichtigen Ethnologen der postkolonialen Welt. Er war der bedeutendste Autor der französischsprachigen Karibik und intellektueller Vordenker einer Poetik und Philosophie der Weltbeziehung und der Vielheit. Sein wichtigstes Thema war der Diskurs über die Kreolisierung der Gesellschaft, mit dem er international im Zentrum intellektueller Diskussionen stand.
Glissant war seit 1993 Ehrenpräsident des Internationalen Schriftstellerparlaments. Seine Werke sind in über zwanzig Sprachen übersetzt. Er lebte in Paris, auf Martinique und in New York, wo er an der Universität unterrichtete. Er starb am 3. Februar 2011 im Alter von 82 Jahren in Paris.
Beate Thill
Beate Thill, geboren 1952 in Baden-Baden, studierte Anglistik und Geographie. Seit 1983 arbeitet sie als literarische Übersetzerin der Sprachen Englisch und Französisch, mit dem Schwerpunkt Literatur aus »dem Süden«, v. a. aus Afrika und der Karibik. Daneben arbeitet sie als Dolmetscherin, verfasst Texte zur Übersetzungstheorie und für den Rundfunk. Sie ist Übersetzerin des kongolesischen Lyrikers Tchicaya U Tam’si, des karibischen Autors Édouard Glissant, des Tunesiers Abdelwahab Meddeb und der Algerierin Assja Djebar. 2014 erhielt sie den Internationalen Literaturpreis vom Haus der Kulturen der Welt in Berlin für ihre Übersetzung des Romans Das Rätsel der Rückkehr von Dany Laferrière.